Ein Zwiegespräch des Autors (A) mit sich selbst (B)
A: Gefällt dir die Überschrift?
B: Jein, ich versteh sie nicht. Te Tse? Ist das chinesisch? Es erinnert mich an Mao Tse.
A: Das sieht dir ähnlich: immer gleich die große Weltgeschichte im Kopf.
B: Besser als nichts im Kopf. Aber was heißt das Chinesisch?
A: Das ist kein Chinesisch. Das ist eine deutsche Abkürzung. Denk doch ein bisschen nach.
B: In meinem Terminkalender steht zweimal in der Woche TC für Tennisclub.
A: Also. Und RW heißt dann Rot-Weiss und 120 bedeutet „120 Jahre alt“.
B: Und warum dann so umständlich statt alles gleich auszuschreiben?
A: Das soll auffallen und den Leser neugierig machen, damit er auch wirklich liest.
B: Ich dachte, von dir wird immer alles gelesen.
A: Leider nein. Für die Geschichte im Allgemeinen und die Tennisgeschichte im Besonderen interessieren sich immer weniger Leute. Vor Jahren, am 22.10.1996, habe ich in der Volkshochschule mal einen Vortrag über Tennis gehalten und dazu alle Vereine der Umgebung, also mehrere hundert Leute eingeladen.
B: Das war doch ein toller Erfolg, ein so volles Haus.
A: Nein, es kamen nämlich nur ganze drei Personen, darunter meine Sekretärin, die gar kein Tennis spielte, und die drei drängten mich dann auch noch, den Vortrag wirklich zu halten.
B: Und was hast du daraus für Lehren gezogen?
A: Ich äußere mich nur noch, wenn ich dazu aufgefordert werde oder etwas berichtigen will.
B: Und das wäre?
A: Das ist der 120. Geburtstag unseres Vereins. Das ist etwas Besonderes.
B: Wieso? Es gibt doch viele Vereine, die genauso alt oder noch älter sind.
A: Ja, z.B. der Karnevalsverein 1840 oder der Ortsverein der SPD Neustadt von 1875.
B: Also. Was ist dann am Tennisclub Besonderes?
A: Er ist von allen Tennisvereinen in der Pfalz der älteste oder zumindest der zweitälteste.
B: Was soll das heißen? Könnte er auch der drittälteste sein?
A: Nein. Die ersten Vereine wurden nachweisbar 1896 in Neustadt und Landau gegründet, der dritte 1897 in Speyer, gefolgt von Zweibrücken und Ludwigshafen 1899.
B: Woher weiß man das?
A: Aus verschiedenen Quellen. Die meisten Vereine haben selbst keine alten Unterlagen mehr, ihre Mitglieder auch nicht, so dass man fast ganz auf Gelegenheitsfunde in den Archiven und der Literatur angewiesen ist.
B: Kann man nicht gezielt das Vereinsregister einsehen oder in den Archiven die Bestände der Vereine oder in den Bibliotheken die Vereinsblätter und Zeitungen durchgucken?
A: Doch, natürlich, aber das bringt wenig. Das Vereinsregister wurde erst 1900 eingeführt und selbst dann ließen sich nicht alle Vereine gleich eintragen, Neustadt z.B. erst 1909. Die Archive sammelten nur die amtlichen Schriftstücke der Staatsorgane und Kommunalverwaltungen systematisch und den Schriftverkehr der Vereine, Firmen und Privatpersonen nur selten. Die Bibliotheken schließlich erwarben zwar möglichst viele literarische und wissenschaftliche Werke, aber verschmähten die kleineren Vereinsdrucke, Schülerzeitschriften oder gar Werbematerialien. In den Zeitungen schließlich stand schon immer sehr viel, aber bei weitem nicht alles. Es bleiben wirklich fast nur die Zufallsfunde.
B: Und was hast du für den Tennisclub gefunden?
A: Die älteste Quelle ist eine Liste der Neustadter Vereine aus dem Jahr 1899. Sie führt unter Nr. 146 den „Lawn- Tennis Club“ (sic!) auf mit dem doppelten Zweck „Pflege des Lawn-Tennis-Spieles und der Geselligkeit“ und dem Vorstand „Dr. Oehlert Gust Tuchfabrikant“ (Abb. 1). Im April 1901 schrieb dann der Rechner des Vereins an die Stadt, der Club habe in der Gartenstraße das Grundstück Menges-Spitzhoff gepachtet, wolle darauf zwei Spielplätze anlegen und bitte, die Einfriedigung, die in die geplante Verbreiterung der Gartenstraße hineinragen würde, bis auf Weiteres zu genehmigen (Abb. 2). Das Stadtbauamt zeichnete im Mai 1901 einen entsprechenden Lageplan (Abb. 3) und der Stadtrat genehmigte das inzwischen verwirklichte Bauvorhaben nachträglich am 5.12.1901. Schon vorher hatte man am 31.8. und 1.9.1901 das erste Clubturnier veranstaltet. Das „Deutsche Lawn Tennis Jahrbuch“ von 1902, das darüber berichtete, nannte dabei auch zum ersten Mal das Gründungsjahr 1896 (Abb. 4). Die älteste erhaltene Vereinszeitung erschien am 15.4.1902 „Zur Einweihung des neuen
Clubhauses“ (Abb. 5). Bei dieser dichten Quellenlage muss das Gründungsjahr unter historisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten als absolut gesichert gelten.
B: Und an welchem Tag genau fand die Gründung statt? Am Anfang des Jahres, so dass der Club jetzt schon 120 Jahre alt ist, oder erst gegen Ende, so dass er erst 120 wird?
A: Ja: Ist oder wird, das ist hier die Frage. Ich weiß darauf leider keine Antwort. Trotz 40jähriger Suche habe ich den genauen Geburtstag noch nicht gefunden. Weil sich in Landau genau am 25.6.1896 ein Vorläuferverein des heutigen TC bildete, würde die Antwort darüber entscheiden, wer der allerälteste Tennisverein in der Pfalz ist.
B: Du sagst, dass TC habe 1901 zwei Plätze an der Gartenstraße gebaut. Wo wären die heute zu suchen?
A: Beim Haus Nr. 25. Als man es baute, fand man den roten Boden eines Tennisplatzes. Das Grundstück liegt zwischen der Ecke Bismarckstr. 10 und der Adventsgemeinde (Siebenten-Tags Adventisten) Gartenstr. 33b (Abb. 6).
B: Wenn der Verein ab 1896 bestand und erst ab 1901, also fünf Jahre später, zwei Plätze an der Gartenstraße baute, frage ich mich, wo er vorher spielte.
A: Das weiß niemand, jedenfalls bisher niemand. Das 1901 gepachtete Grundstück Menges und das 1904 dazu gepachtete Nachbargrundstück Süss gab der Verein 1910 auf. Er spielte anschließend, aber vielleicht auch schon vor 1901 auf drei Plätzen bei der Schützengesellschaft in der Karolinenstraße 99.
A: Und wenn vielleicht nicht? Hat er dann von 1896 bis 1901 überhaupt nicht gespielt und sich auf den 1899 genannten zweiten Vereinszweck „Geselligkeit“ beschränkt?
A: Das ist unwahrscheinlich, aber nicht ganz ausgeschlossen. Der Engländer Wingfield (1833-1912) propagierte seit 1874 eine vereinfachte Form des uralten Tennisspiels, für die er gleich eine mobile Ausrüstung (Pfosten, Netz, Schläger, Bälle) verkaufte, die man auf jeder Wiese und jedem Sandplatz schnell benutzen konnte. Wir wissen dass viele Privatleute, Hotels, Kurverwaltungen und Vereine solche mobilen Anlagen besaßen. So spielte beispielsweise in Bad Homburg 1874 der Engländer Petersham im Hotel Victoria, 1876 der Schotte Anstruther im Kurgarten (Abb. 7, das älteste Tennis-Foto der Welt) und ein 1879 gegründeter Tennis-Club ebenfalls im Kurpark, letzterer an zehn mobil aufgestellten Netzen. In Baden-Baden spielte man schon 1879 Tennis in den Kuranlagen, bevor 1881 ein Club gegründet und 1883 fünf feste Plätze feierlich eingeweiht wurden. Sogar aus der Pfalz gibt es die nicht nachprüfbare Überlieferung, dass in Bad Bergzabern 1887 bei der „Hollermühle“ in den heutigen Kuranlagen Tennis gespielt wurde, während ein Club wohl erst 1920 gegründet wurde. Warum also nicht auch in Neustadt in einem großen Privatgrundstück?
B: Das musst du unbedingt noch herausfinden. Und den genauen Geburtstag des Clubs natürlich auch. Ich habe jetzt noch eine andere Frage: Wie kam der TC von der Neustadter Karolinenstraße in den Hambacher Horstweg?
A: Vom Schützengelände in der Karolinenstraße 99 wechselte der Club 1937 in das 1932 eingeweihte und 1937 erweiterte„Stadion“ in der Talstraße 110. Er besaß dort drei und nach dem Krieg vier, später fünf und ab 1968 sogar sechs Plätze und ein Clubhaus. Weiter steigende Mitgliederzahlen erzwangen dann den Umzug in das viel größere Gelände am Hambacher Horstweg 50 zwischen dem Fußballplatz und der Hambacher Mühle (Gutting GmbH). Unsere Halle mit drei Plätzen wurde 1976 eingeweiht, unsere zwölf Freiplätze und das Clubhaus 1979. Seither fühlen wir uns fast wie im Paradies. Wir haben genügend Platz draußen und drinnen, eine prächtige grüne Umgebung mit Blick auf das Hambacher Schloss, viele sympathische Mitglieder, begeisterte Jugendliche und begeisternde Spitzenspieler, einen engagierten Vorstand, gute Trainer und einen aufmerksamen Clubwirt. Was will man mehr?
B: Ich will eine letzte Frage stellen: Wenn ihr euren Geburtstag nicht auf den Tag genau kennt, wann wollt ihr denn dann feiern?
A: Es stimmt, dass wir nur das Jahr unserer Gründung kennen. Wir machen deshalb aus der Not eine Tugend und feiern das ganze Jahr. Ein Höhepunkt wird bestimmt wie jedes Jahr wieder unser Sommerfest am 3. September. Merk dir den Termin vor und komm! Du bist wie alle herzlich eingeladen!
Gerhard Wunder